01
NOV
2018

Redemption-II. In-depth: Gotteszorn und Nächstenliebe. Konzepte von Erlösung und Vergeltung in der frühneuzeitlichen Moraltheologie und Strafrechtslehre (Harald Maihold)

Abstract

God’s wrath and mercy. Concepts of “redemption” and “retribution” in early Modern moral theology and criminal Law

The religious concept of redemption contributed significantly to the shaping of public criminal law in the Early Modern Age. This paper focusses on the contribution made by late Spanish scholasticism in particular, shedding light on its pervasive influence on the concept of punishment. The essential features of the Protestant doctrine of punishment are also considered, revealing theology’s key role in the shaping of modern criminal law.

GOTTESZORN UND NÄCHSTENLIEBE. Konzepte von Erlösung und Vergeltung in der frühneuzeitlichen Moraltheologie und Strafrechtslehre

I. Ausgangspunkt

Religiöse Erlösungs- und Vergeltungslehren haben in der frühen Neuzeit starken Einfluss auf die entstehende Strafrechtswissenschaft gehabt. Umgekehrt waren aber  die theologischen Lehren des Mittelalters von Erbsünde, Erlösung, Busse und Ablass bereits stark von juristischen Metaphern durchzogen. Der folgende Abriss[1] möchte diese Abhängigkeiten offenlegen und damit einen Beitrag zum Verständnis des geltenden Strafrechts leisten.

Das moderne Konzept von Strafe, das nach der individuellen Schuld des Täters fragt und die Sanktion auf die Person des Täters bezieht, hat sich erst verhältnismäßig spät herausgebildet und wurde erst in der Spanischen Spätscholastik im Reformationszeitalter eingehend reflektiert. Noch der strafrechtlichen Literatur des frühen 16. Jahrhunderts fehlte, so beliebt sie auch bei den Zeitgenossen war, nicht nur eine Systematik, sondern – aber darin ist sie der aktuellen Strafrechtsliteratur nicht ganz unähnlich – auch ein vertieftes Interesse an (metaphysischen) Begründungszusammenhängen.[2] Was Strafe eigentlich ist, warum man straft und wozu, das wurde meist als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, hinterfragt wurde es selten. Wozu auch? Wo das Strafverfahren noch weitgehend privatrechtliche Züge trägt, wo das Ziel des Verfahrens mehr die Konfliktbewältigung als die Erforschung der Wahrheit ist und wo überhaupt der Strafe noch das Höchstpersönliche fehlt – „Strafen“ werden auch an der Familie des Täters, an Gemeinden und anderen Kollektiven, an Toten, an Schuldunfähigen, Kindern, ja sogar an Tieren und Sachen vollstreckt[3] –, ist der Kläger, der einen Strafprozess gegen einen Beklagten anstrengt, nicht in Begründungsnot. Allenfalls konnte man das Ungenügen eines solchen „Strafrechts“ beklagen.

Gleichwohl gab es eine Straftheorie. Diese fiel jedoch nicht in die Kompetenz der Legisten, sondern der Moraltheologen. Die Theologen aus dem Umfeld der Spanischen Spätscholastik, die als Beichtväter und kirchliche Richter vielfach auch praktisch tätig waren, beschäftigten sich anhand ganz konkreter, praktischer Fragestellungen eingehend mit dem Begriff und den Zwecken der Strafe.[4] Im Gegensatz zu den Juristen hatten es die Theologen mit einem Gericht zu tun, das nicht in das Belieben eines Klägers gestellt, sondern der Gerechtigkeit verpflichtet war. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen war die göttliche Strafe, aber die Diskussion ist natürlich nicht ohne Einfluss auf die kirchliche und weltliche Strafgerichtsbarkeit geblieben. Im 16. und 17. Jahrhundert bildete sich daraufhin eine gemeinrechtliche Strafrechtswissenschaft heraus, deren Leitidee, sowohl in legitimierender als auch in limitierender Hinsicht, der Bezug auf das göttliche Recht war, so dass man sie auch als „theokratisch“ bezeichnet hat.[5]

Die folgenden Überlegungen wollen, gleichsam aus der Vogelperspektive, den Beitrag der Spanischen Spätscholastik für die Entwicklung des materiellen Strafrechts zusammenfassen (II.). Anschließend sollen kurz die wesentlichen Merkmale der protestantischen Strafrechtslehre angerissen werden (III.), um auf dieser Grundlage die Bedeutung der theologischen Diskussionen für das moderne Strafrecht zu würdigen (IV.).

II. Die Systematisierung des Strafrechts in der Spanischen Spätscholastik

1. Straftheorie: Analogie zum Weltgericht

Der Entwicklung einer theokratischen Strafrechtslehre war eine entgegengesetzte Entwicklung vorausgegangen, die man als „Juridifizierung der Theologie“ bezeichnet hat.[6] Schon Kirchenväter und Frühscholastiker haben das Heilsgeschehen immer wieder mit juristischen Metaphern erklärt.

Bereits nach der Erbsündenlehre des Augustinus (354-430) lag in der Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies eine Strafe Gottes für deren Sündenfall, eine Vorstellung, die im Hinblick auf das Prinzip der Sündenstrafe viel Diskussionsstoff bot, erstreckte sich die Erbsünde doch nicht nur auf die Schuldigen, sondern auf alle Nachkommen des Menschengeschlechts. Das Prinzip der Sündenstrafe wiederum hielt ebenfalls mit einer juristischen Metapher Einzug in die Theologie, nämlich in der alttestamentarischen Vorstellung vom Weltgericht Gottes am Ende der Zeiten, wonach Gott jeden individuellen Menschen nach seinen Sünden richtet und ihn entweder mit der Aufnahme in das Paradies belohnt oder zu ewiger Höllenstrafe verdammt.[7] Hierfür galt der Grundsatz: „Anima, quae peccaverit ipsa morietur“, so heisst es bei dem Propheten Ezechiel: „Nur die Seele, die gesündigt hat, wird des Todes sein.“[8]

Die Erlösungslehre, wie sie Anselm von Canterbury (um 1033–1109) in seinem Cur deus homo (1098) entwickelte, sah das Heilsgeschehen in Analogie zu juristischen Kategorien: Um sein Heilsversprechen einzuhalten, musste Gott nach dem Sündenfall selbst Mensch werden, um die in der Selbstüberhebung des Menschen liegende unglaubliche Beleidigung wiedergutmachen zu können. Anselm griff dabei ausdrücklich auf das weltliche Recht zurück.[9] Die Lossprechung (redemptio) der Sünder durch Christus habe ihr Vorbild im juristischen Sühneverfahren vor dem König, in dem die Verwandten eines Täters diesen aus der Schuld auslösten. Auch das Paradebeispiel einer Auslösung im römischen Recht, die redemptio ab hostibus,[10] aufgrund derer gefangene und versklavte Bürger bei einem Loskauf ihr Heimkehrrecht, d.h. ihre volle ehemalige Rechtsstellung wiedererlangen konnten, könnte dabei Pate gestanden haben. Dafür spricht neben der Terminologie bei Anselm auch, dass der Sünder in der christlichen Theologie auch als der Gefangene der Sünde bezeichnet wird, von der er durch die Genugtuungsleistung Christi befreit wurde.[11] Mit seiner Satisfaktionslehre hat Anselm nicht nur zur Unterscheidung von Genugtuung und Strafe, sondern auch zur Idee der Stellvertretung einiges beigetragen, die dem römischen Recht jedenfalls als allgemeiner Grundsatz noch unbekannt war. Die mit dieser These betonte Weltimmanenz Gottes führte zu einem ganz neuen menschlichen Selbstbewusstsein und löste das augustinische Weltbild von der ausweglosen Sündhaftigkeit alles Irdischen ab.[12]

Mit der Taufe nahm der Mensch die Genugtuungsleistung Christi an und war von der Erbsünde befreit. Es blieben allerdings die nach der Taufe begangenen aktuellen Sünden der Gläubigen, die deren Seelenheil gefährdeten. Aus der Hoffnung des Propheten Ezechiel, Gott werde im Weltgericht jedem Menschen nur nach der eigenen Sünde vergelten, wurde nun der kirchliche Auftrag abgeleitet dafür zu sorgen, dass jeder Gläubige ohne aktuelle Sünden vor das Gericht Gottes trete. Um dem Weltgericht zu entgehen, musste sich der Sünder den Sakramente der Buße, des Ablasses und des Abendmahls (Eucharistie) unterwerfen.

Das juristische Verständnis des Heilsgeschehens infizierte so die kirchliche Liturgie. Mit der Transsubstantiationslehre Lanfrancs de Bec (um 1010–1089) setzte sich die Vorstellung durch, dass im Abendmahl wirklich Blut und Leib Christi gegenwärtig und die Handlungen nicht bloß ein Symbol waren. Zugleich wurde die Gnadenwirkung des Abendmahls immer weniger dem Heiligen Geist und immer mehr der gesprochenen und gesungenen Liturgie zugeschrieben.[13]

Eine ähnliche Entwicklung beobachten wir beim Sakrament der Busse. Da sich die Erlösung durch die Taufe nur auf die Erbsünde bezog und zum Abendmahl nur reine Seelen zugelassen waren, musste der Gläubige zuvor seine aktuellen Sünden beichten. Er trat vor das Gewissensgericht, das forum internum.[14] Die Gerichtsmetapher geht auf den Kirchenvater Tertullian (um 150–um 230) zurück, der eine Ausbildung im römischen Recht genossen hatte. Doch während Tertullian die Busse nach der Taufe nur einmalig vorgesehen und die Gnadenwirkung noch Christus zugesprochen hatte, trat im 12. Jahrhundert die Kirche an die Stelle Gottes. Die Beichte wurde zu einem permanenten Reinigungsritual mit einem geregelten Ablauf: Auf die Zerknirschung (contritio) folgte das Bekenntnis der Sünden (confessio), auf die der Priester – der Beichtvater, dessen autoritärem Charisma der deviante Gläubige in Analogie zum pater familias Gehorsam schuldete –, mit der Lossprechung (absolutio) antwortete und die Bußsatisfaktion angab, die zur Wiedererlangung des Gnadenstandes erforderlich war.[15]

Die kirchlichen Sakramente wurden auf diese Weise im 11. und 12. Jahrhundert zu quasi-juristischen Gnadeninstrumenten der Kirche umgedeutet, die unmittelbare Bindewirkung vor Gott entfalteten. So wurde die Buße das Vorbild für das sich entwickelnde kanonische Strafrecht.[16] Mit der Erfindung des Fegefeuers reichte das Bußsakrament mit dem durch Wallfahrten oder Geldzahlungen erworbenen Ablass sogar in das Jenseits hinein. Die Idee, dass sich die Seelen vor der ewigen Seligkeit an einem Vorort des Paradieses erfrischen und laben, stammte ebenfalls von Tertullian. Die Pariser Scholastik machte daraus, möglicherweise in Anlehnung an islamische Vorstellungen, einen dritten Ort zwischen Himmel und Hölle, wo Gott zeitliche Reinigungsstrafen vollstreckte. Mit der Entscheidung über die Verweildauer einer Seele im Fegefeuer wurde auch die göttliche Strafe quantifizierbar und proportionierbar. Die Bindegewalt über diese Strafen wurde direkt dem Papst zugeschrieben. Mit Dantes Göttlicher Komödie wurde das purgatorium zu Beginn des 14. Jahrhunderts zu einer festen Größe, auf der die Ablassprediger des Spätmittelalters aufbauten.[17]

Angesichts der Gottesebenbildlichkeit des Menschen[18]  war es nur folgerichtig, dass die irdischen Herrscher sich an dem Vorbild des göttlichen Weltgerichts orientierten und die theologische Idee vom Sündentribunal aufgriffen. Wie die kirchlichen, so bezogen auch die weltlichen Gerichte unter Berufung auf verschiedene Zweischwerterlehren ihre Legitimation direkt von Gott.[19] Sie verstanden sich als irdische Vertreter des göttlichen Gerichts und versuchten, ihr Amt in Analogie zum göttlichen Vorbild auszuüben. Nachzuahmen war das göttliche Gericht nach Augustinus und Thomas von Aquin freilich nur insofern, als die Gründe dem menschlichen Gericht einsichtig waren. Urteile, die auf geheimen Gründen beruhten, konnten nicht nachgeahmt werden.[20] Die stellvertretende göttliche Strafrechtspflege vermochte nach der Vorstellung der irdischen Gerichte den Sünder vor dem drohenden Verlust des ewigen Lebens zu retten, denn die Sünde war nun bereits im irdischen Gericht abgegolten und nach dem Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem) eine weitere Strafe für die gleiche Sünde im Jüngsten Gericht ausgeschlossen. Gottes Weltgericht wurde durch eine theokratische Strafrechtspflege im Diesseits vorweggenommen. Theokratischer Natur war die Straftheorie jedoch nicht nur, wo sie sich auf den Gedanken des Weltgerichts bezog. Auch dort, wo man sich auf das neutestamentarische Liebesgebot, auf die Gnade und Barmherzigkeit Gottes bezog, legitimierte sich die Strafgewalt über einen Gottesbezug.

2. Strafbegriff: Sündenstrafe und ethischer Tadel

Die Analogie zum Weltgericht Gottes war für die Strafjustiz spätestens in den Häretikerprozessen des Hoch- und Spätmittelalters prägend. Es fehlte jedoch noch lange eine Strafrechtswissenschaft, die die Entwicklung angemessen theoretisch abbilden und kommentieren konnte. Erst mit dem Entstehen einer eigenen Strafrechtsliteratur wurde die Idee der Strafe auch theoretisch auf den Begriff gebracht. Eine solche gelehrte Strafrechtsliteratur entwickelte sich erst langsam im 14. Jahrhundert, wo in Italien die ersten Strafrechtstraktate erschienen. Im 16. Jahrhundert geriet diese junge Theorie unter den Einfluss der Theologen der Spanischen Spätscholastik. Hier können wir beobachten, wie der Strafbegriff mehr und mehr auf die Schuldstrafe zugespitzt wird.[21]

In der Kanonistik war der Strafbegriff noch sehr weit. Er umfasste, selbst noch bei Thomas von Aquin (1224/25-74), neben der „eigentlichen“ oder „peinlichen Strafe“ (poena rationem poenae, poena simpliciter considerari) auch „Strafen“, die ohne Schuld, sondern nur aus bestimmten Gründen verhängt werden konnten, wozu auch die „medizinische“ (poena medicinalis) und die „wiedergutmachende“ Strafe (poena satisfactoria) gehörte.[22] Schon bei Francisco de Vitoria (1486-1546) kündigt sich dagegen eine Akzentverschiebung in Richtung der Sündenstrafe an, indem er die „eigentliche“ Strafe zu einer „eigentlichsten“ steigerte.[23]

Bahnbrechend für das neue Strafrecht war schließlich das Werk des franziskanischen Theologen Alfonso de Castro (1495-1558). Als Prediger in Flandern, Professor in Salamanca, Hofprediger und Diplomat der spanischen Könige verteidigte er den katholischen Standpunkt gegen die lutherische Lehre und verdiente sich den Beinamen „Geißel der Ketzer“ (flagellum haereticorum). Die Beschäftigung mit der Häresie führte Castro zum Strafrecht. Nach seinem 1534 erschienenen Erstlingswerk Adversus omnes haereses, einer alphabetisch sortierten Übersicht über die Häretiker, ihre Lehren und Argumente, folgte 1547 mit De iusta haereticorum punitione eine ausführliche Darstellung der Strafen der Häretiker, und 1550 schließlich sein Hauptwerk De potestate legis poenalis libri duo, worin sich Castro allgemein mit dem Begriff des Strafgesetzes, mit der Natur und den Zwecken der Strafe und mit dem Verhältnis zwischen Verbrechen und Strafe beschäftigte.[24]

Die Strafe (poena) definiert Castro als ein „Leiden, das dem ihm Unterworfenen einen Schaden zufügt und das wegen einer eigenen vergangenen Sünde auferlegt wird“. Andere „Übel“ (afflictiones), die nicht für eine eigene Sünde auferlegt werden, sollen nach Castro nicht mehr „Strafe“ genannt werden.[25] Parallel zur Einengung des Strafbegriffs auf die Sündenstrafe wird die Strafe von Alfonso de Castro und seinen Anhängern mit einem ethischen Tadel ausgestattet. In den theologischen Texten äußert sich das in der Feststellung, dass das Strafgesetz den Täter nicht nur zur Leistung der Strafe verpflichten (obligatio ad poenam), sondern auch „zur Schuld binden“ (obligatio ad culpam) könne. Schuld ist also nicht nur eine Voraussetzung,[26] sondern auch eine Folge der Strafe: Wer ein Strafgesetz übertritt, lädt eine Sünde auf sich.[27] Gemeint ist damit eine subjektive Befindlichkeit, ein Sich-schuldig-Fühlen des Sünders.

Diese Schuldbindung besteht nach Ansicht der Theologen nicht nur bei eindeutig moralischen Strafgesetzen, die die Verpflichtung zur Schuld ausdrücklich anordnen (z.B. die Bestimmungen über die Exkommunikation), sondern auch bei sog. gemischten Strafgesetzen (leges mixtae), die an die Übertretung einer Norm eine Strafdrohung knüpfen, ohne die Verpflichtung zur Schuld ausdrücklich anzuordnen. Nach Ansicht der Theologen ergibt sich die Schuldbindung hier bereits aus der Strafdrohung, die vom Untertanen Gehorsam verlangt. Strafgesetze verpflichten zur Schuld, nicht weil sie Strafgesetze, sondern weil sie moralische Gesetze sind.[28]

Anders sieht es bei Gesetzen aus, die Alfonso de Castro und seine Nachfolger als reine Strafgesetze (leges pure poenales) bezeichnen, obwohl dies der neuen Terminologie von der Strafe eigentlich widerspricht. Ein reines Strafgesetz verbietet nicht, sondern es gestattet, es droht keine „echte“ Strafe an, sondern bestimmt lediglich ein Entgelt, das für die im Gesetz bezeichnete Handlung, beispielsweise die Einfuhr von Getreide, bezahlt werden muss.[29] So bilden die sog. leges pure poenales einen seltsamen Fremdkörper in der Straflehre der Theologen, ein Relikt aus der Zeit des weiten Strafbegriffs.[30]

Die Schuldverstrickung des Strafgesetzes bedeutete also zunächst, dass der Täter mit der Begehung des Verbrechens eine Sünde auf sich lud. Darüber hinaus stellte sich die Frage, ob der Täter auch unabhängig von einem richterlichen Urteil vor seinem Gewissen in foro conscientiae zur Schuld gebunden werden konnte. Alfonso de Castro scheint diese Frage im Hinblick auf die kirchlichen Strafen, die einen Eintritt von Rechts wegen (ipso iure) anordnen, was namentlich bei der Exkommunikation der Fall war, zu bejahen.[31] Dies kann als Reaktion auf die Betonung des Gewissens durch die Protestanten[32] verstanden werden, als Versuch, die sich auf das Gewissen berufende religiöse Devianz der Häretiker mit der Autorität des Strafgesetzes in den kirchlichen Gehorsam zurückzuführen. Die herrschende Ansicht unter Theologen und Kanonisten stand einer Gewissenspflicht zum Selbstvollzug der Strafe jedoch sehr kritisch gegenüber. Der Täter sei zwar im Gewissen verpflichtet, das Strafleiden zu dulden. Vom Täter zu verlangen, die Strafe aktiv an sich selbst zu vollstrecken, sei jedoch mit dem Charakter der Strafe als Leiden nicht vereinbar und sogar „inhuman“, weil es dem naturrechtlichen Grundsatz widerspräche, dass niemand verpflichtet sei, sich selbst anzuklagen oder zu richten.[33]

Die Feststellung der Schuldbindung des Strafgesetzes war eine wichtige Weichenstellung für den ethischen Tadel, den das moderne Strafrecht an den Täter richtet. Danach will das Strafgesetz nicht nur die objektive Abgeltung der Schuld durch die Strafe, sondern ebenfalls eine subjektive Befindlichkeit des Täters, Einsicht seiner Schuld, auslösen, die eine Kommunikation mit dem Täter als moralische Person bezweckt. Wenn dabei eine Duldungspflicht im Gewissen auch vor resp. ohne eine Verurteilung angenommen wird, zeigt dies deutlich, dass nicht erst die Verurteilung, sondern bereits die Strafdrohung diesen sittlichen Makel impliziert.

Castro hatte einen erheblichen Einfluss auf die Theologen und Kanonisten seiner Zeit, etwa auf Domingo de Soto (1494-1560), Martín de Azpilcueta (1493-1586) und, weniger deutlich, auf Diego de Covarrubias y Leyva (1512-1577). Über sie gelangte der theologische Strafbegriff in die deutsche Natur- und Strafrechtslehre des 17. Jahrhunderts.[34]

3. Strafzwecke: Vergeltung, Besserung, Abschreckung

Die Straftheologie bestimmte auch den Strafzweck. Während mit dem Bezug auf das Weltgericht der Vergeltungsgedanke in der Straflehre an Raum gewann, konnte unter Berufung auf die Liebe und Sorge um den Sünder und sein Seelenheil der Besserungszweck stark gemacht werden. Peter Abaelard (1079-1142) ging zwar davon aus, dass die Kirchenstrafe ausschließlich präventiven Zwecken folgen könne, da die Sündenschuld ohnehin nicht nach außen erkennbar sei. Dagegen wandten die Kanonisten seit Gratian jedoch ein, dass die Willensschuld sich durchaus über äußere Umstände (circumstantiae) erkennen lasse und zudem im Geständnis (confessio) des Sünders offenbar werde. Die Kirchenstrafe sei daher nicht rein präventiv, sondern diene der Feststellung und Ahndung der Sündenschuld.[35]

In Anbetracht dessen sollte man annehmen, dass auch die Strafrechtsliteratur im Umfeld der Spanischen Spätscholastik eine theokratisch legitimierte Straftheorie kannte und den Zweck der Strafe in der Wiederherstellung der göttlichen Ordnung oder in einem Liebesdienst am Nächsten sah. Das ist jedoch nur bedingt der Fall. In den zahlreichen speziell für die strafrechtliche Praxis verfassten Werken des 16. Jahrhunderts, angefangen von dem Flamen Joos de Damhouder (1507-81), der übrigens u.a. in Leuven studiert hat, über den Mailänder Kriminalisten Giulio Claro (1525-75) sowie die Salmantiner Juristen Antonio Gómez (1501-vor 1572) und Juan Vela y Acuña (1550-1600), spielen metaphysische Begründungen und der Bezug auf das göttliche Recht kaum eine Rolle. Der Zusammenhang wird zwar nicht gerade geleugnet, aber auch nicht besonders hervorgehoben und bei der Legitimation der öffentlichen Strafkompetenz offenkundig ausgeklammert. Stattdessen wird im Wesentlichen auf die Besserung und auf generalpräventive Aspekte der Abschreckung und des öffentlichen Nutzens abgestellt: Durch Strafe sollen die Menschen zu guten Bürgern erzogen und die Gemeinschaft vor schlechten Menschen geschützt werden.[36]

Die meisten Theologen räumen dagegen der Vergeltung noch ein stärkeres Gewicht ein. Thomas bezeichnet in seiner Quaestio über die Strafgerechtigkeit (vindicatio) als Zweck der Strafe die Besserung des Sünders, seine Unschädlichmachung sowie die Wahrung der Gerechtigkeit und die Ehre Gottes. Weil der Täter in seinem Willen über das Erlaubte hinausgegangen ist, muss er gegen seinen Willen die Strafe erdulden, damit das gerechte Gleichgewicht wieder hergestellt wird.[37] Besserungs- und Nutzenargumente sind mit dem Vergeltungsdenken durchaus kompatibel. Indem der Täter in die göttliche Ordnung zurückkehrt, ist die Strafe für ihn zugleich Medizin und wird dadurch zugleich der Rechtsfrieden bewahrt und das öffentliche Wohl gefördert. Jedenfalls für Thomas und die ältere kanonistische Tradition gilt daher, dass die Strafzwecke sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern eine harmonische Trias aus Vergeltung, Besserung und Wiedergutmachung bilden.[38]

In der Spanischen Spätscholastik scheinen die Strafzwecke zum Teil einseitig betont worden zu sein, ein Eindruck, der möglicherweise trügt. Sicher, einige Theologen, wie Alfonso de Castro wollen in der Strafe nur noch eine Vergeltung erblicken und präventive Gesichtspunkte ausklammern,[39] andere, wie der Leuvener Theologieprofessor Leonard Lessius (1554-1623), erblicken zumindest den Hauptzweck der Strafe in der Vergeltung;[40] andererseits gibt es Stellungnahmen bei Soto oder Juan de Lugo (1583-1660), die den Zweck der Strafe einseitig in der Abschreckung sehen.[41] Francisco de Vitoria widmet der Vergeltungsstrafe verhältnismäßig wenig Raum und betont, dass Strafe niemals Selbstzweck sein dürfe; andererseits hält er die Vergeltungsstrafe aber auch für gerechtfertigt, wenn sie letztlich nicht nützlich ist, weil allein durch sie die Rechtsordnung bestätigt wird.[42]

Vielfach wird behauptet, die Vergeltungslehre sei Ausdruck eines strengen Strafregiments, während das Bemühen um eine Besserung des Täters für ein milderes, humaneres Strafrecht spreche. Dieses Verständnis übersieht jedoch, dass der Vergeltungsstrafe und der Besserungsstrafe zwei verschiedene Strafbegriffe zugrunde liegen. Von diesen ist nicht die Besserungs-, sondern die Vergeltungsstrafe enger, denn sie schränkt die Strafsanktion auf die Person des Täters ein, während „Besserungsstrafen“ auch auf Dritte ausgedehnt werden können. Wenn die Spanischen Theologen zum Teil den Vergeltungsgedanken stark hervorheben, so muss dies nicht bedeuten, dass sie die Besserung des Sünders oder den Nutzen der Allgemeinheit als Strafzwecke ausschließen wollen, sondern zunächst geht es ihnen darum, den Strafbegriff einzuschränken. Und auch umgekehrt gilt, dass Autoren, die einseitig den Abschreckungszweck der Strafe betonen, diese dennoch als Vergeltungsstrafe verstehen können.[43] Eine strikte Trennung der Strafzwecke in ein Entweder-oder, wie sie den „Schulenstreit“ im späten 19. Jahrhundert ausmacht, ist den Spaniern daher offensichtlich fremd.

Die Diskussion zeigt, dass religiöse Bezüge in der Straftheorie vor allem darin wirksam sind, dass sie der irdischen Strafgewalt Grenzen setzen. Bei der Legitimation der Strafe sind die Spätscholastiker dagegen stärker als noch Thomas von Aquin darum bemüht, die Strafe vom Staatswohl her zu begreifen.

4. Öffentlicher Strafanspruch: Ne crimina remaneant impunita

Im Mittelalter lag die Verfolgung einer Straftat in der Regel in der Verantwortung des Verletzten und seiner „Sippe“. Die Könige hatten zwar schon früh damit begonnen, jedenfalls schwere Rechtsverletzungen wie das homicidium auch von Amts wegen zu verfolgen,[44] doch eine flächendeckende Ahndung von Verbrechen war in älterer Zeit weder praktisch realisierbar noch straftheoretisch geboten.

Die theokratische Straftheorie mit Berufung auf das Weltgericht Gottes hat die Durchsetzung eines öffentlichen Strafanspruchs erheblich gefördert. Er wurde, wohl unter dem Eindruck der augustinischen Beichtlehre, im 13. Jahrhundert von kirchlicher Seite erhoben, damit der Sünder, durch die Buße gereinigt, gerechtfertigt und erlöst vor Gott treten konnte. Unter Innozenz III. (um 1161-1216) wurde der Grundsatz, dass kein Verbrechen ungestraft bleiben soll (ne crimina remaneant impunita), zum kirchenpolitischen Programm.[45] Nicht zuletzt sollten mit einer lückenlosen Ahndung der Verbrechen die Sünder für Gottes Heilsplan gerettet werden. Der Weg des Gerechten, so schien es, bestand vor allem darin, durch Buße und Ablass der Strafe zu entgehen.

Im 16. Jahrhundert wurde zumindest in der Theorie an dem öffentlichen Strafanspruch kaum mehr gezweifelt. Die Begründung war allerdings unterschiedlich. Einige Theologen beriefen sich noch immer auf den Gedanken des Weltgerichts und leiteten die Strafkompetenz unmittelbar von Gott ab. Vitoria verzichtete auf diesen Begründungszusammenhang und leitete das öffentliche Strafmonopol aus dem Staatswohl ab.[46] Das öffentliche Strafmonopol galt nach Vitoria aber nur für die Strafvollstreckung, die Anstrengung der Strafklage war dagegen weiter regelmäßig ein Recht des Verletzten. Dass die vindicatio nach Vitoria auch eine private Tugend sein kann, bedeutet daher nicht, dass die hoheitliche Strafe generell in Stellvertretung einer privaten Rachekompetenz des Opfers wahrgenommen worden wäre.[47] Die Juristen trennen klar zwischen dem Strafanspruch des Staates und dem Rachebedürfnis des Verletzten. Eine Vergebung des Verletzten beseitige nur dessen Rachedurst, habe aber nicht den Verlust des Klagerechts zur Folge. Und wo das Gemeinwohl betroffen sei, könne privater Verzicht das Strafbedürfnis nicht beseitigen.[48]

Umgekehrt sind mit der Institutionalisierung einer öffentlichen Strafgewalt aber nicht alle privaten Straf- bzw. Rachebefugnisse aufgehoben. In der moraltheologischen wie juristischen Literatur werden zahlreiche, durch das römische Recht oder die Gewohnheit vorgegebene Fallgruppen diskutiert, in denen der Verletzte selbst die Strafe vollstreckt, beispielsweise der Bestohlene den Dieb in der Nacht oder der Ehemann seine in flagranti beim Ehebruch ertappte Ehefrau. Im Anschluss an Vitoria standen die meisten Theologen und auch viele Juristen diesen Fällen sehr kritisch gegenüber. Die Lösung fanden sie, indem sie zwischen dem sündhaften Unrecht und der Strafbarkeit unterschieden, eine bis heute wirksame Differenzierung: Die Tötung sei zwar nicht erlaubt und bleibe eine Sünde, für die sich der Täter vor dem forum internum zu verantworten habe, die Strafe könne aber wegen des erlittenen Schmerzes gemildert oder aufgehoben werden. Anders wurde allerdings die Tötung der Ehefrau durch den Ehemann in Vollstreckung eines gerichtlichen Urteils behandelt. Dieser Fall konnte mit dem öffentlichen Strafanspruch in Einklang gebracht werden, indem man den Verletzten als Diener des Staates betrachtete, in dessen Namen er die Strafe vollstreckte.[49]

Die Analogie zum Weltgericht hatte sicher dazu beigetragen, den öffentlichen Strafanspruch der „Juristenpäpste“ zu etablieren. In der Spanischen Spätscholastik wird dieser Gedanke jedoch durch eine stärker säkulare Staatswohlargumentation abgelöst, die jedoch an dem Universalitätsanspruch nichts ändert, sondern diesen Gedanken vielmehr auf das weltliche Gericht überträgt. Die Diskussion privater Strafvollstreckungen zeigt zudem, dass es den Spaniern in erster Linie um eine „Ordnung der Praxis“ geht. Die Gerichtspraxis wurde dem theoretischen Anspruch nicht geopfert, sondern man suchte nach Möglichkeiten, sie mit der Theorie in Einklang zu bringen.

5. Verbrechensbegriff: Crimen und peccatum

Unter dem Einfluss der Beichtlehre erfuhr der Verbrechensbegriff in der theologischen und kanonistischen Diskussion einen nachhaltigen Wandel. Er wurde jetzt stark subjektiviert. Da der Verstoß gegen das menschliche Recht für Thomas und die Spanier immer zugleich eine Verfehlung gegen Gott darstellt, wird der Begriff des Verbrechens mit dem der Sünde identifiziert, beide Begriffe werden als Synonyme gebraucht. Terminologische Differenzierungen zwischen dem Verbrechen (crimen) und der Sünde (peccatum), wie sie nicht nur das römische Recht, sondern mit Peter Abaelard auch die mittelalterliche Theologie noch kannten, wurden im Zuge dieser Entwicklung zunehmend eingeebnet. Wie schon Abaelards Versuch, die irdische Strafe in pragmatischer Hinsicht auf den Präventionsaspekt zu reduzieren, so fiel auch sein Ansatz, die strafrechtliche Terminologie von der Sündenlehre zu emanzipieren, in der Rezeptionsgeschichte durch. Vielmehr wurde die auch von ihm mitgetragene Subjektivierung der Ethik auch in die Tätigkeit der irdischen Gerichte hineingetragen. Die Schwere des Verbrechens hing ausschließlich von dem sündhaften Willen ab, nicht dagegen vom angerichteten Schaden. Obwohl die Theologen durchaus erkennen, dass die Vermischung von Sünde und Verbrechen zu schwerwiegenden terminologischen Differenzierungsproblemen führt, halten Thomas und Vitoria, um die aus der Sündenlehre folgende Legitimation und normative Kraft nicht zu gefährden, am Begriff des peccatum fest. Lieber nimmt Vitoria weitere Differenzierungen des Sündenbegriffs in Kauf.

Die Theologisierung des Verbrechensbegriffs bedeutet jedoch nicht, dass Thomas und seine Kommentatoren dem menschlichen Strafrecht jede Autonomie absprechen würden. Im Gegenteil, diesem kommt ein relativer Eigenwert zu, weil im menschlichen Gericht nicht nur die vor Gott verwirkte Sündenschuld, sondern auch der durch die Sünde entstandene Schaden und das skandalon beurteilt werden und das Verfahren neben der brüderlichen Ermahnung des Sünders auch der Genugtuung des Opfers und dem Nutzen der Gemeinschaft dient.[50]

Die Einheit von Verbrechen und Sünde wird besonders beim Häresiedelikt hervorgehoben. Alfonso de Castro etwa bestimmt die Häresie in seinem Buch über die Häretikerbestrafung ganz und gar subjektiv. Er definiert sie als „die falsche bestimmte Äußerung oder Vorstellung, die dem katholischen Glauben derart widerspricht, dass sie mit ihm zusammen nicht sein kann“.[51] Die Häresie besteht folglich nicht in einer äußeren Handlung, sondern (zunächst) in einem Irrtum des Intellekts, wenngleich die äußere Handlung oftmals den Verdacht der Häresie und damit das Tätigwerden der Inquisitionsbehörden begründet. Das Verbrechen wird mit der Sünde identifiziert. Die Unkenntnis der katholischen Glaubenslehre entschuldigt die Häresie[52], zur strafwürdigen Tat erwächst der Irrtum aber, wenn er gegenüber der kirchlichen Autorität hartnäckig vertreten wird. Der Strafgrund liegt damit einerseits im Willen des Häretikers, andererseits in der Gefahr, die von den Häretikern und ihren falschen Lehren für das christliche Fundament der Gesellschaft ausgeht.[53] Castro hat dabei vor allem die Lutheraner im Blick, die seiner Ansicht nach viele bereits verschwunden geglaubte Häresien wieder aufleben ließen und die vor allem durch die nachlässige Verfolgung der deutschen Fürsten die Einheit des katholischen Glaubens zerstört hätten.[54] Schuld- und Nutzenargumente gehen hier Hand in Hand, was sich in den Strafarten fortsetzt.

Eine zunehmende „Veröffentlichung“ des Verbrechensbegriffs in der Spanischen Spätscholastik zeigt sich im Umgang mit der römisch-rechtlichen Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Verbrechen. Für die Theologen und Kanonisten ist die Unterscheidung ohnehin ohne Belang. Die Legisten unterscheiden hingegen im Anschluss an die Digesten, die nach dieser Unterscheidung die strafrechtliche Materie in den beiden „libri terribiles“ im 48. und 49. Buch behandeln, zwischen delicta privata und delicta publica, oft zu Beginn oder an prominenter Stelle. Während die Unterscheidung im römischen Recht aber von qualitativer Natur war – Privatdelikte waren geringe Vergehen, die der Verfolgung des Verletzten vorbehalten waren und die mit einer an den Verletzten zu zahlenden Privatstrafe geahndet wurden –, verliert die Unterscheidung in der Spanischen Spätscholastik zunehmend an Gewicht. Zum einen werden die Abgrenzungskriterien zugunsten der delicta publica stark modifiziert: Nach Antonio Gomez etwa gehören zu den delicta publica drei Kategorien: Delikte, die sich in irgendeiner Weise mit einer Beleidigung Gottes einhergehen – und das sind in kirchlicher Tradition alle Sünden –, Delikte gegen den Fürsten und schließlich Delikte, die sich zwar nur gegen einzelne Privatpersonen richten, die der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich regelt. Schon der im Grunde noch quasi privatrechtliche Strafanspruch Gottes für gegen ihn gerichtete Delikte wird durch den Verweis auf den Grundsatz, dass kein Delikt ungestraft bleiben soll, auf eine höhere Ebene gehoben.[55] Dadurch aber wird dem Gemeinwesen die Möglichkeit eingeräumt, praktisch jedes Privatdelikt in ein öffentliches Delikt umzuwandeln, entweder kraft besonderer gesetzlicher Regelung oder ad hoc, wenn es ungestraft zu bleiben droht. Es liegt auf der Hand, dass nach alldem von dem ursprünglichen Bereich der delicta privata nicht viel übrig bleibt. Hinzu kommt noch, dass selbst delicta privata nach Gomez ex officio verfolgt werden können, insofern sich nämlich jedes Delikt nicht nur gegen den Verletzten richtet, sondern immer auch gegen den Staat.[56] Die Unterscheidung zwischen delicta privata und delicta publica wird damit praktisch auf die prozessrechtliche Frage reduziert, in welchem Verhältnis der Klaganspruch des Verletzten zu der Ingangsetzung eines öffentlichen Inquisitionsverfahrens steht. Gomez hatte der Inquisition wohl nur subsidiäre Bedeutung zugesprochen, es gibt jedoch auch Stimmen, die, wie Diego de la Cantera (publiziert 1589), zwei parallele Verfahren mit unterschiedlicher Zielsetzung fordern.[57]

6. Deliktskatalog: Systematisierungskriterien

Auch die Systematisierungskriterien, nach denen die strafrechtliche Literatur ihre Deliktskataloge ordnete, folgten vielfach theologischen, namentlich biblischen Vorbildern. Die meisten Beichtsummen ab der Mitte des 13. Jahrhunderts, der Liber Extra und noch zahlreiche Autoren der Spätscholastik wie etwa Diego de la Cantera folgen der Einteilung der zehn Gebote. Andere Beichtsummen wie die des Johannes von Erfurt (um 1300) orientieren sich ergänzend an den sieben Todsünden, wobei interessanterweise der Hochmut (superbia) als schwerste Sünde von der Habgier (avaritia) abgelöst wird. Auch die Sakramente, die Werke der Barmherzigkeit oder die fünf Sinne werden als Ordnungskriterien verwendet. Die spätscholastischen Thomas-Kommentatoren übernehmen dagegen die thomasische Gliederung nach den vier Kardinaltugenden, die je nach Schwerpunktsetzung durch andere Tugendenkataloge ergänzt wird. Die Juristen orientieren sich, auch außerhalb der Kommentare, an den Digesten oder am Codex Iustinianus bzw. der Nueva Recopilación Philipps II. Zahlreiche Autoren finden zu eigenen Systematisierungskriterien, die sich von theologischen Kontexten immer weiter entfernen. Der Kanonist Juan Bernardo Díaz de Lugo (1495-1556) wählt beispielsweise eine Denunziationsformel als Grundlage für eine Kommentierung. Diego de Covarrubias y Leyva begründet die freie Kommentierung „verschiedener Bestimmungen“, die es den Autoren ermöglichte, unabhängig von den verschiedenen Vorlagen jeder Frage einen neuen systematischen Ort zuzuweisen. André Tiraqueau (1488-1558) gliedert seine strafrechtliche Abhandlung nach den Rechtsfolgen. Und schließlich finden sich immer häufiger einfach alphabetisch gegliederte Deliktskataloge, nach vereinzelten Vorbildern in den Beichtsummen etwa bei Alfonso de Castro, Giulio Claro und Juan de Vela y Acuña. Diese Ordnung kam nicht nur dem praktischen Gebrauch dieser Schriften als Nachschlagewerke entgegen, sie vermied auch eine Gewichtung der Delikte, die offenbar nicht mehr konsensfähig war.[58]

Insgesamt kann man daher sagen, dass die theologischen Ordnungs- und Systematisierungskriterien in der kanonistischen und legistischen Literatur der Spanischen Spätscholastik durch freiere und pragmatische Kriterien abgelöst wurden, die es erlaubten, neue Probleme ohne Bindung an herkömmlicher Strukturen einzuordnen.

7. Zurechnungslehre: Schuldprinzip

Die Vorstellung vom Weltgericht war untrennbar mit der Idee der göttlichen Gerechtigkeit verbunden. Hier, vor dem Jüngsten Gericht, so die Hoffnung der Theologen, sollen nur die eigenen Sünden zählen. Dieser Grundsatz findet sich auch bei den Kanonisten, z.B. bei Sinibaldus Fliscus (vor 1200-1254), dem späteren Papst Innozenz IV., unter Berufung auf den Propheten Ezechiel.[59]

Indem nun die kirchlichen und weltlichen Gerichte in ihrem Strafanspruch an die Stelle Gottes traten, mussten sie der Idee der göttlichen Gerechtigkeit nacheifern, mussten sie nach Sünde und Schuld urteilen und nicht nach kriminalpolitischen Zweckmäßigkeitserwägungen. Das Schuldprinzip, wonach Strafe nur für eine Schuld auferlegt werden darf, wurde damit von der ewigen Strafe Gottes zunächst auf die zeitlichen Kirchenstrafen übertragen, vor allem auf die Exkommunikation, der man nachsagte, der Seele Schaden zufügen zu können,[60] aber auch auf irreversible Körperstrafen. Die Analogie der irdischen Strafrechtspflege zum göttlichen Weltgericht, ursprünglich zur Legitimation des öffentlichen Strafanspruches gedacht, entfaltete daher nicht zuletzt eine strafrechtslimitierende Funktion.

Schuldunabhängige Strafen, die in der Praxis des Mittelalters gang und gäbe waren und noch in der mittelalterlichen Kanonistik einfach als „causa-Strafen“ in besonderen Ausnahmekatalogen gesammelt wurden,[61] bedurften nun einer besonderen Legitimation, wofür in der Spanischen Spätscholastik verschiedene Argumentationsschienen entwickelt wurden. Ihnen gemeinsam ist die Tendenz, diese „Strafen“ entweder doch auf eine Schuld zu beziehen oder aber aus dem subjektiv aufgeladenen Strafbegriff herauszunehmen und mit neuen Labeln zu versehen. Als „theologische“, „zivilrechtliche“, „polizeiliche“, „staatspolitische“ oder „medizinische“ Angelegenheiten gerieten sie nach und nach aus dem Blickfeld der Strafrechtsliteratur. Einige Beispiele:

In der kanonistischen und theologischen Literatur wurde ausführlich die Frage diskutiert, ob ganze Städte oder Gemeinden exkommuniziert werden können, was dem Schuldprinzip insofern widerspricht, als dadurch die unschuldigen Mitglieder der Gemeinschaft betroffen sind. Bartolus und Baldus hatten dafür verschiedene Begründungen angeboten, die von bruderschaftlicher Verbindung bis zur bloßen Fiktion reichten. Die Theologen verneinen unter Hinweis auf den Seelenbezug dieser Strafe die Möglichkeit der Exkommunikation von Kollektiven, bejahen dies aber für die weniger schwere, reine Beugestrafe des kirchlichen Interdikts.[62]

Ein zweites Beispiel ist die Erstreckung der Strafe auf die Nachkommen. Schon in der Bibel, und zwar an ganz prominenter Stelle, nämlich im Anschluss an das dritte Gebot, heißt es, Gott ahnde die Missetat der Väter bis ins dritte und vierte Glied. Die Güter- und Ehrenstrafen an den Nachkommen, die die lex quisquis aus dem Codex Iustinianus (C. 9, 8, 5) anordnete, wurden sogar wörtlich in das kanonische Recht aufgenommen. So hatten Theologen, Kanonisten und Legisten gleichermaßen Anlass, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Die Autoren versuchen, den Widersprüchen mit dem Schuldprinzip durch eine restriktive Auslegung Herr zu werden. Eine Ansicht nahm praktisch eine Vererbung der Sünde über das kontaminierte Blut an. Sie war milder, als man vermuten möchte, schonte sie doch die vor dem Delikt geborenen und die Adoptivsöhne, die nicht vom infizierten Blut abstammten, und konnte sie doch auch eine „Strafe“ des Vaters für den Sohn nicht rechtfertigen. Einen Dispens liess sie zwar theoretisch nicht zu, was praktisch aber nicht durchsetzbar war und einer vernunftgemäßen Auseinandersetzung nicht standhielt. Die Spätscholastiker greifen deshalb auf den Präventionsgedanken zurück, indem sie die schon im römischen Recht und der älteren Legistik geäußerte Vermutung zugrunde legen, dass von den Nachkommen regelmäßig die Nachahmung des schlechten Vorbildes befürchtet werde und dies bei besonders schwerwiegenden Delikten eine Erstreckung der Strafe auf die Nachkommen rechtfertige. Damit wurden diese Sanktionen aus dem Strafbegriff ausgegliedert und, modern gesprochen, der polizeilichen Gefahrenabwehr zugeschrieben,[63] oder, wenn man so will, einem „Feindstrafrecht“.[64]

Auch zentrale theologische Lehren mussten im Angesicht des Schuldprinzips neu diskutiert werden, die Erbsündenlehre etwa. Augustinus hatte, wie bereits erwähnt, die Erbsünde als eine Strafe Gottes für die Sünde der ersten Eltern verstanden. Dies stand offensichtlich im Widerstand zum Schuldprinzip, denn die Strafe erstreckte sich auf alle folgenden Generationen, auch auf die unschuldigen Nachkommen. Der Versuch der Kanonistik, die Erbsündenstrafe als Ausnahme vom Schuldgrundsatz zu verstehen, war nicht besonders überzeugend. Deshalb betonte man in der späteren Diskussion, dass nicht nur die Strafe, sondern auch die Sünde selbst mit der Erzeugung auf die Nachkommen übergehe und diese deshalb nicht für fremde, sondern für eigene Sünde bestraft würden.[65]

Am anderen Ende des Heilsgeschehens musste begründet werden, ob der Erlösungstod Christi als stellvertretende Strafe für die Menschen mit dem Schuldprinzip Bestand hatte. Im Anschluss an Anselm von Canterbury erklären Thomas und die Spätscholastiker den Kreuzestod als Strafe an den durch Christus vertretenen Menschen, für Christus dagegen handele es sich nicht um Strafe, sondern um eine aus Gnade und Barmherzigkeit erfolgende freiwillige „Satisfaktion“.[66]

Vom Schuldprinzip aus entwickeln sich schließlich Ansätze einer Zurechnungslehre. Schon die Beichtsummen und die Kanonistik enthielten vieles von dem, was sich heute in Lehrbüchern zum Allgemeinen Teil des Strafrechts findet. Hier wurden Fragen der Kausalität und Zurechnung, der Teilnahme usw. erörtert. Wenngleich von einer geschlossenen Imputationslehre wohl erst bei Samuel Pufendorf (1632-1694) gesprochen werden kann, wurden die Grundzüge einer Zurechnungslehre doch bereits in der moraltheologischen und kanonistischen Straflehre in kasuistischer Weise herausgebildet.

Zentraler Bestandteil dieser Zurechnungslehre ist der Bezug des Verbrechens auf den Willen des Täters, der willenlose Handlungen – aus Gewalt, Drohung oder einer Beeinträchtigung der Vernunft oder Erkenntnis – aus der Zurechnung ausschließt. Von hier aus werden die Voraussetzungen für Vorsatz und Fahrlässigkeit, Einwilligung und Schuldfähigkeit entwickelt. Umgekehrt wird der im Versuch begründete böse Wille aber auch als peccatum mortale und als strafwürdig betrachtet, wenn der vom Gesetz inkriminierte schädliche Erfolg ausgeblieben ist. Notwehr und Notstand werden als Entschuldigungsgründe entwickelt, wobei unter Hinweis auf die Nächstenliebe Mönche besonderen Duldungspflichten unterworfen werden.[67] Die Zurechnungslehre wird allerdings noch zumeist bei den einzelnen Delikten, etwa beim homicidium, dargestellt.

8. Straftatfolgen: Schuldproportionalität und Utilitätsaspekte

Das Schuldprinzip setzte sich auf der Ebene der Straftatfolgen fort, indem bei der Strafzumessung neben der Schwere des Schadens und dem Status des Opfers vor allem die Schwere des kriminellen Willens, die Tatmotive herangezogen wurden. Die Strafe sollte möglichst proportional zur begangenen Sünde gefunden werden, damit sie das Gebot eines gerechten Schuldausgleichs nicht überschritt. Wenngleich die Strafzumessung laut Vitoria nicht zum ewigen göttlichen Gesetz (lex aeterna) oder zum Naturrecht, sondern zum positiven Recht gehörte, galt auch hier, dass sie sich an der lex aeterna auszurichten hatte. Auch hier wirkte sich der theologische Bezug der Strafe auf die Sünde durchaus begrenzend aus, wie vor allem in der moraltheologischen Literatur betont wird. Die Tatumstände konnten aber auch zu einer Strafschärfung führen, indem über die gesetzlich vorgesehene Strafe hinaus eine poena extraordinaria zugemessen wurde. Dem richterlichen Ermessen kam bei der Festsetzung der Strafe eine bedeutende Rolle zu. Die Legisten sind dabei der Ansicht, dass der Richter sein Ermessen, weil er an das Gesetz gebunden sei, in der Regel mit der Strenge der Gerechtigkeit auszufüllen habe, nur bei Vorliegen besonderer Umstände sei mit Milde und Barmherzigkeit zu urteilen. Das Ermessen gab dem Richter eine hohe Verantwortung auf, denn übersah er Umstände und maß eine zu hohe oder zu niedrige Strafe zu, so fiel er selbst in Sünde.[68]

Neben den Schuld- finden sich aber wiederum Nutzenargumente. Covarrubias etwa begründet das Proportionalitätsprinzip nicht nur mit der Notwendigkeit, einen Ausgleich für die Sünde zu schaffen, sondern auch mit dem Staatsnutzen. Bei der Strafzumessung ist daher nicht lediglich nach der Schwere des Delikts und dem Status von Täter und Opfer zu urteilen, sondern auch nach der Häufigkeit des Delikts und nach der Gefährlichkeit des Verbrechens für die Gesellschaft.[69] Die Proportionalitätslehre wird auf diese Weise nicht nur auf das Schuldprinzip bezogen, sondern auch auf die Strafzwecke.

Diese Argumente bestimmen auch die Diskussion der besonderen Delikte. Den Häretiker trifft beispielsweise nach Alfonso de Castro für die Sündenschuld ipso iure die Strafe der Exkommunikation, darüber hinaus ist die Häresie unter Utilitätsgesichtspunkten aber vor allem durch Belehrung und Ermahnung zu bekämpfen. Nur für „unbelehrbare“ und rückfällige Häretiker sieht Castro die Todesstrafe durch Verbrennen vor, wobei der Gedanke der Unschädlichmachung bezogen auf die Gesellschaft wiederum einen Nutzen darstellt, weil diese dann von schädlichen Einflüssen befreit wird.[70]

Ausführlich erörtert wird in der Spanischen Spätscholastik die Frage, ob die Tötung (homicidium) unter Umständen nur mit einer Geldstrafe und der Diebstahl mit einer Todesstrafe geahndet werden dürfe, was auf den ersten Blick dem Grundsatz der Schuldproportionalität zu widersprechen scheint. Die Antwort erfolgt zum einen über subtile Gerechtigkeitserwägungen über die Sündhaftigkeit der jeweiligen Verbrechen. So wurde der Diebstahl wegen seiner Heimlichkeit zu den besonders schändlichen Delikten gezählt, während man für den offenen Totschlag in bestimmten Fällen, etwa im Zorn oder zum Schutz der Ehre, ein gewisses Verständnis aufbrachte. Auf die Behandlung der Todesstrafe wirkten sich zudem theologische Fragen des menschlichen Todes, des ewigen Heils und des Fegefeuers aus. So meint Lessius im Hinblick auf die Rache des Ehemanns, durch eine sofortige Tötung der Ehebrecherin werde ihr Seelenheil unnötig gefährdet, man solle deshalb das Ergebnis des ordentlichen Verfahrens abwarten, um Gelegenheit zur Umkehr zu bieten.[71] Schließlich werden nach der Schwere des verbrecherischen Willens Qualifikationsmerkmale definiert, bei deren Vorliegen die Strafe geschärft wird.[72]

Daneben werden auch wieder Nutzenerwägungen angestellt. Die Häufigkeit von Diebstählen und das damit verbundene Schädigungspotential mache diese für den Staat gefährlicher, so dass in die Strafzumessung auch Aspekte der Abschreckung und der Sicherung der Allgemeinheit einzubeziehen seien. Der Schaden eines homicidium hing in der Ständegesellschaft des 16. Jahrhunderts dagegen auch von dem Status des Opfers ab, so dass adlige Täter unter Hinweis auf die utilitas reipublicae eher in den Genuss einer Strafmilderung kamen. Über den Staatsnutzen kehren auf diese Weise alte Wergeld-Vorstellungen wieder.

Die Kriterien der Strafzumessung werden aber in der Spanischen Spätscholastik zunehmend auch unabhängig von einzelnen Delikten erörtert. Ansätze eines „Allgemeinen Teils“ finden sich beispielsweise bei Giulio Claro oder noch deutlicher bei Tiraqueau, der seine Abhandlung nach den Strafänderungsgründen und überhaupt nicht nach einzelnen Delikten gliedert.[73]

III. Straftheoretische Ansätze bei den Reformatoren

Werfen wir zum Vergleich einen kurzen – notgedrungen summarischen und vielleicht unzureichenden – Blick auf die protestantischen Reformatoren und die von ihnen beeinflusste Strafrechtsliteratur.[74]

Bei Martin Luther (1483-1546) ist nicht mehr die Kirche, sondern der weltliche Staat war (nach dem Apostel Paulus) „Gottes amptman und seyns zorns diener“[75]. Die katholische Kirche wird gegenüber der frühchristlichen Kirche von den Reformatoren als deviant eingestuft und dem autoritär-hierarchischen Kirchenverständnis der Päpstlichen ein vergeistigtes Kirchenbild von der Gemeinschaft der Gläubigen entgegengesetzt. Die vergeistlichte Kirche wird von Recht und Staat streng getrennt.[76] Da der Staat nicht mehr dem Reich Christi angehört, sondern dem durch den Sündenfall verderbten Reich der Welt, wird die Strafe von Luther eigentlich nicht mehr mit einem theokratischen Modell im eigentlichen Sinne legitimiert. Da der Mensch nur sola fide durch die Gnade Gottes gerechtfertigt und trotzdem sündig ist (simul justus et peccator), hat die irdische Strafe keinen transzendentalen Bezug mehr. Die Legitimation der Strafe erfolgt vielmehr zumeist mit präventiven, kriminalpolitischen und utilitaristischen Erwägungen; dies sogar in Luthers Schrift Von weltlicher Obrigkeit (1523), die eigentlich als ein Beitrag zu einer theologischen Debatte gedacht war.[77]

Innerhalb des weltlichen Reiches und sozusagen unterhalb der Begründungsfrage finden sich aber auch bei den Reformatoren vielfache Bezüge auf Gottes Recht, wobei sich die Reformatoren mal auf das Ehrgebot, mal auf das Liebesgebot stützen. Letzteres wird freilich nicht pazifistisch im Sinne von Gewaltfreiheit verstanden. Dass man „aus grosser barmhertzickeyt mus unbarmhertzig seyn“ müsse[78], ist keinesfalls ein Widerspruch. Irdisches Strafrecht ist auch nach reformatorischer Vorstellung Vollstreckung des göttlichen Willens. Der rächende Gott bedient sich der irdischen Gewalt zur Durchsetzung seiner Ziele, er kontrolliert sie aber auch und greift notfalls noch selbst ein. Die irdische Justiz steht unter Erfolgsdruck, will sie Schaden von sich abwenden.

Wie Paulus und Luther, so bezeichnet auch Philipp Melanchthon (1497-1560) die Obrigkeit als “Dei minister et magistratus, ultor ad iram ei, qui deliquerit”.[79] unter den Gründen der Strafe hebt er an erster Stelle die iustitia Dei hervor und nennt erst danach die Besserung (ut castigatus fiat melior) und die Abschreckung (ut ceteri deterriti regant mores diligentius et sint modesti).[80] Der Staat straft also auch, um zu vergelten und Gottes Zorn zu besänftigen, doch tut er dies nicht mehr mit Bindewirkung vor Gott. Die Strafe betrifft jetzt nur noch das äußere Rechtsverhältnis, die „externam disciplinam“ mit Melanchthons Worten; das Gewissen bleibt davon unberührt. Nichtsdestoweniger sind harte Strafen ein probates Mittel, die Menschen zur inneren Umkehr und zum Gehorsam gegenüber dem Gesetz anzuhalten, und indem die Obrigkeit ihren Untertanen harte Strafen auferlegt, beweist sie zugleich ihren eigenen Gehorsam gegenüber dem göttlichen Gesetz.[81]

Bei Johannes Calvin (1509-1564) wird die Straftheorie im Rahmen seiner Kirchenzucht noch stärker zugespitzt, während er die weltliche Strafe davon streng unterscheidet. Ihm zufolge ist jeder Einzelne zu christlichem sündlosem Leben berufen. Verfehlungen sind damit immer ein Verstoß gegen diesen Auftrag. Indem alle Sünden zu Todsünden werden, wird die katholische Unterscheidung in Todsünden und lässliche Sünden hinfällig. Stattdessen wird nun zwischen willentlichen Sünden und solchen aus Willensschwäche unterschieden. Von ihnen kann der Mensch nur sola fide erlöst werden. Gegenüber der inneren Umkehr des Sünders haben äußere Bußwerke vor Gott keine Bedeutung mehr. Im Übrigen aber hält Calvin die Gemeinschaft aus dem Gebot der Nächstenliebe heraus für institutionell verantwortlich, solche, die Sünden begangen haben, durch harte Strafen zu bessern und damit auf den Weg der Gnade zurückzuführen (metanoia). In der calvinistisch geprägten Strafrechtspflege werden die gesetzlichen Regelungen strenger gefasst, während zugleich ihre Anwendung stärker unter dem Zeichen der Gnade steht. Die weltlichen Jury-Gerichte haben weniger nach der absoluten Wahrheit zu suchen, sondern begnügen sich mit dem Urteilsmaßstab des reasonable man. Aber auch hier ist privates Sittenengagement für gefallene Glieder letztlich vergleichbar mit der Rolle der kirchlichen Inquisition.[82]

Die konfessionellen Meinungsverschiedenheiten[83] brachten somit keinesfalls eine völlige Abkehr von der herkömmlichen Straftheorie, vielmehr führten sie dazu, dass nicht mehr die Kirche, sondern die weltlichen Landesherrschaften die Aufgabe der Strafvollstreckung übernahmen. Der Grund für diese Verschiebung ist wohl in der veränderten Rechtfertigungslehre zu suchen: War nach dem sola-fide-Grundsatz der Vollzug der äußeren Strafe für das Seelenheil nicht mehr notwendig, so sorgte das Gebot der Nächstenliebe dafür, dass die staatlichen Autoritäten sich aufgefordert fühlten, die Sünder zu echter Buße anzuhalten. Harte Strafen waren dafür ein probates Mittel, ja die Besänftigung des Gotteszorns wird noch stärker betont als in der katholischen Tradition.[84] Die mildernden Implikationen dieses Ansatzes sollten sich erst später, etwa in Forderungen nach einer Abschaffung der Todesstrafe entfalten.[85] Die Grundgedanken, die das kanonische Strafrecht des Hoch- und Spätmittelalters geprägt hatten, blieben auf diese Weise unter der Oberfläche der neuen säkularisierten Form, meist unter wenig veränderten Vorzeichen, weitgehend erhalten.[86]

Eine Ambivalenz zeigt sich auch bei der Behandlung der Häresie. Während die Spanier die Häresie auf eine Abweichung vom römischen Dogma bezogen hatten, wird sie von den Reformierten als Sünde wider den heiligen Geist „in die Glaubenssphäre hinaufgehoben“. Dem Häresieprozess als rechtlichem Strafverfahren war damit an sich der Boden entzogen, an seine Stelle hatten Ermahnung und Seelsorge zu treten.[87] Andererseits wurde die Idee vom corpus Christianum von Luther nicht aufgegeben, sondern auf den weltlichen Staat übertragen. Die Häresie wurde politisches Vergehen, dessen Verfolgung der Obrigkeit zur Pflicht gemacht wurde. Melanchthon hielt die Bestrafung der Ketzer für ein Naturgesetz. Calvin schließlich verstand die Obrigkeit als Hüterin der kirchlichen Ordnung und Vollstreckerin der biblischen Strafe. So kam es teilweise auch bei den Reformierten zu Ketzerverbrennungen, so vor allem gegen die Wiedertäufer oder 1553 in Genf im Prozess gegen den Arzt Michel Servet, in dessen Folge die Todesstrafe für Häretiker unter den Reformierten kontrovers diskutiert wurde.[88]

Präventive und metaphysische straftheoretische Überlegungen verbanden sich in der reformierten Literatur in der Folge oft miteinander, wurden aber unterschiedlich betont, so dass insgesamt kaum von einer einheitlichen Straftheorie gesprochen werden kann:[89] Hugo Grotius (1583-1645) und Samuel Pufendorf (1632-1694), aber auch namhafte Strafrechtler wie Petrus Theodoricus (1580-1640) verzichteten, wie übrigens schon der Mainstream der älteren legistischen Strafrechtslehre (Claro, Damhouder)[90], unter humanistischem Einfluss weitgehend auf die religiöse Fundierung der Strafzwecke und beriefen sich stattdessen lieber auf Senecas Präventionslehre. Ein gewichtiger Teil der weltlichen Strafrechtswissenschaft jedoch griff die religiöse („theokratische“) Straftheorie dankbar auf und ersetzte die antiken Autoritäten wieder durch biblische Bezüge. Hierzu gehört neben den orthodox-lutherischen Juristen Johannes Oldendorp (1488-1567), Matthaeus Wesenbeck (1531-1586) und Benedikt Carpzov (1595–1666)[91] auch der calvinistische Jurist Johannes Althusius (1557-1638), der den Präventionsgedanken wie die Milderung des Gotteszorns gleichermaßen hervorhebt und im Zusammenhang mit den „Strafen für fremde Schuld“ nicht nur die Fragestellung, sondern auch die Lösung über den Begriff einer „echten“ und einer „unechten Strafe“ von den Spaniern importiert.[92]

IV. Fazit: Die Bedeutung der Theologie für das Strafrecht

Wir hatten unsere Überlegungen mit der Frage begonnen, welche Rolle theologische Diskussionen um Erlösung und Vergeltung bei der Entstehung der gelehrten Strafrechtsliteratur im Reformationszeitalter gespielt haben. Als Ergebnis lassen sich folgende Thesen festhalten:

  1. Die Theologenjuristen der Spätscholastik haben zur Entstehung einer gelehrten Strafrechtsliteratur nachhaltig beigetragen. Praktisch die gesamte theoretische Diskussion um die Legitimation eines öffentlichen Strafanspruches ist von der theologischen Idee des Sündentribunals beeinflusst, die im Jüngsten Gericht zum Ausdruck kommt. Die Rezeption dieser theologischen Idee im Recht entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Reimport, war doch die mittelalterliche Theologie seit der Erlösungs- und Satisfaktionslehre Anselms von Canterbury ihrerseits von juristischen Metaphern durchzogen. Durch die Gottesebenbildlichkeit des Menschen und die Zweischwerterlehren wird die Idee vom Sündentribunal an die irdische Strafjustiz vermittelt.
  2. Das Bemühen um eine theologische Legitimation der Strafe hat umgekehrt zur Folge, dass der Richter an die Grundsätze des göttlichen Gerichts gebunden ist, welche die Strafgewalt nicht unerheblich eingrenzen und damit einer politischen Instrumentalisierung der Strafgewalt entgegenwirken. Die kanonische aequitas und Luthers barmhertzickeyt setzen gegen die rigide Strafgerechtigkeit einen zusätzlichen Kontrapunkt. Hier sind die Wurzeln der Strafrechtslehre als Strafbegrenzungslehre angesiedelt.
  3. Die strafrechtliche Materie, wie sie im Corpus Iuris zu finden war, wurde von der Spanischen Spätscholastik unter systematischen Aspekten neu geordnet und bewertet. Dies äußert sich bei der Propagierung des öffentlichen Strafanspruchs ebenso wie in der Deliktshierarchie, im Verbrechens- und Strafbegriff, in der Zurechnungslehre und in der Strafzumessung. Zur Begründung wie zur Begrenzung der Strafe wird an all diesen systematischen Orten auf theologische Gedanken und Metaphern verwiesen, wobei manchmal Gottes Zorn und Ehre, manchmal das evangelische Liebesgebot im Vordergrund steht. Zentrale strafrechtliche Grundsätze wie das Schuldprinzip und die Personalität von Strafe sind historisch betrachtet nichts anderes als Ableitungen aus der Idee der göttlichen Gerechtigkeit.
  4. Anders als bei den katholischen Theologen, die eine unmittelbare Bindewirkung der irdischen Strafe vor Gott annehmen, kann man bei den Reformatoren aufgrund der Rechtfertigung sola fide und der Trennung der zwei Reiche nicht von einer theokratischen Strafrechtslehre im eigentlichen Sinne sprechen. Der religiöse Bezug entfaltet sich aber auf einer Ebene darunter. Neben der Ehre Gottes legitimieren die Protestanten die Strafe auch mit dem Liebesgebot aus der Bergpredigt (freilich in einem nicht pazifistischen Sinne verstanden!). Insgesamt überwiegt im interkonfessionellen Vergleich bei den allgemeinen Strafrechtslehren aber die Kontinuität. Der auf die Schuldstrafe beschränkte Strafbegriff Alfonso de Castros lässt sich bei Grotius und Althusius ebenso wiederfinden, wie die Präventionslehre Senecas nicht nur den Protestanten, sondern auch vielen Spätscholastikern ein Anliegen ist. So kann man mit einigem Recht sagen, dass die Rolle der Spanischen Spätscholastik vor allem darin bestand, die reiche theologische und kanonistische Tradition an die protestantische Strafrechtslehre zu vermitteln.
  5. Die Häresie kann dabei als ein Motor bei der Strafrechtsgenese (nicht punktuell, sondern in einem weiteren, prozessualen Sinne verstanden) betrachtet werden. Der „Strafgedanke“ mag schon sehr alt sein, ein Strafrecht im modernen Sinne, das die Strafe als etwas Höchstpersönliches betrachtet, mit der Strafe einen ethischen Tadel verbindet und sie von zivilrechtlichen und polizeirechtlichen Sanktionen unterscheidet, scheint sich jedoch erst im kirchlichen Strafrecht in Auseinandersetzung mit häretischen Bewegungen im Hochmittelalter wirklich durchgesetzt zu haben. Theoretisch reflektiert und auf den Begriff gebracht wird die Idee der Sündenstrafe weitgehend erst im 16. Jahrhundert bei Alfonso de Castro, wiederum ausgehend vom Häresiedelikt.
  6. Es wird zudem die Tendenz sichtbar, den Universalitätsanspruch aus dem göttlichen Gericht auf den Staat zu übertragen. Auch die weltlichen Magistrate treten nun als Stellvertreter des göttlichen Richters dem Häretiker gegenüber und vollstrecken die rächende Strafe, um den Delinquenten von seiner Sünde zu erlösen, ihm den Eingang ins Paradies zu sichern und den Zorn Gottes von der Gemeinschaft abzuwenden. Dadurch kommen verstärkt Nützlichkeitserwägungen und präventive Zielsetzungen ins Spiel. Durch die unterschiedlichen Argumentationslinien ist die Strafrechtslehre im 16. Jahrhundert ständig im Fluss und überaus lebendig.[93]
  7. Die Häresie hat andererseits eine „feindstrafrechtliche“ Tendenz, die zu einer Ausdifferenzierung des Strafrechts geführt hat. Bei der Häresie und anderen Ausnahmeverbrechen waren Abweichungen vom normalen Strafrecht erlaubt, die zum Teil als nicht-strafrechtliche Normen anderen Rechtsgebieten (Kriegsrecht) oder der Politik zugewiesen wurden und in der Folge aus dem Blickfeld der Strafrechtslehre gerieten.

[1]Der Text ist eine bearbeitete Fassung von: God’s wrath and charity – Criminal law in (counter-)reforming discourse of redemption and retribution, in: Wim Decock u.a. (Hg.), Law and Religion. The Legal Teachings of the Protestant and Catholic Reformations, Göttingen 2014, S. 149-173.

[2] Vgl. das vernichtende Urteil über die Literatur des 16. Jahrhunderts bei Reinhold Köstlin, Geschichte des deutschen Strafrechts im Umriß, Tübingen 1859, S. 217, daran anschließend Franz von Liszt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 16. und 17. Auflage, Berlin 1908, § 6 II (S. 27-29).

[3] Dazu Harald Maihold, „Welche Seele sündiget, die soll sterben.“ – Das Sündentribunal als Ort der Religions- und Strafrechtsgeschichte, in: Jürgen Mohn/ Adrian Hermann (Hg.), Orte der Europäischen Religionsgeschichte, Würzburg 2015, S. 146-183.

[4]    Grundlegend Kurt Seelmann, Theologie und Jurisprudenz an der Schwelle zur Moderne. Die Geburt des neuzeitlichen Naturrechts in der iberischen Spätscholastik, Baden-Baden 1997; Ders., Die gelehrte Strafrechtsliteratur in der spanischen Spätscholastik. Skizze eines Forschungsprojektes, in: Grunert/ Seelmann (Hg.), Die Ordnung der Praxis, S. 301-312; Ders., Die Relevanz der Theologie, in: Klaus Lüderssen (Hg.), Die Durchsetzung des öffentlichen Strafanspruchs. Systematisierung der Fragestellung, Köln u.a. 2002, S. 95-103; Frank Grunert, Theologien der Strafe. Zur Straftheorie von Thomas von Aquin und ihrer Rezeption in der spanischen Spätscholastik: das Beispiel Francisco de Vitoria, in: Hans Schlosser/ Dietmar Willoweit (Hg.), Neue Wege strafrechtsgeschichtlicher Forschung, Köln u.a. 1999, S. 313-332; Ders., „Punienda ergo sunt maleficia.” Zur Kompetenz des öffentlichen Strafens in der Spanischen Spätscholastik, in: Grunert/ Seelmann (Hg.), Die Ordnung der Praxis, S. 313-332; Ders., Die Unterscheidung zwischen delictum publicum und delictum privatum in der Spanischen Spätscholastik, in: Hans Schlosser/ Rolf Sprandel/ Dietmar Willoweit (Hg.), Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter. Formen und Entwicklungsstufen, Köln u.a. 2002, S. 421-438; Sibylle Schnyder, Tötung und Diebstahl. Delikt und Strafe in der gelehrten Strafrechtsliteratur des 16. Jahrhunderts, Köln u.a. 2010; Harald Maihold, Strafe für fremde Schuld? Die Systematisierung des Strafbegriffs in der Spanischen Spätscholastik und Naturrechtslehre, Köln u.a. 2005; Ders., El Castigo del pecado y la reprobación ética. La evolución del derecho penal moderno en la doctrina española del derecho natural, in: Juan Cruz Cruz (Hg.), Razón Práctica y Derecho. Cuestiones filosófico-jurídicas en el Siglo de Oro español, Pamplona 2011, S. 125-136.

[5]    Harald Maihold, „das aus grosser barmhertzickeyt mus unbarmhertzig seyn“ – Legitimation und Grenzen der Gottesstrafe in der theokratischen Strafrechtslehre des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Eric Piltz/ Gerd Schwerhoff (Hg.), Gottlosigkeit und Eigensinn. Religiöse Devianz im konfessionellen Zeitalter, Berlin 2015, S. 51-82. Vgl. etwa zu Benedikt Carpzov: Eberhard Schmid, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. Auflage, Göttingen 1964, § 151; Hinrich Rüping/ Günter Jerouschek, Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. Auflage, München 2007, Rdnr. 115. Zu den Facetten theokratischer Herrschaftslegitimierung siehe Heinrich de Wall, Theorien der Herrschaftsbegründung und Konfession – zum Zusammenhang von Luthertum und theokratischer Theorie, in: Christoph Strohm/ Heinrich de Wall (Hg.), Konfessionalität und Jurisprudenz in der frühen Neuzeit, Berlin 2009, S. 393-413.

[6]    Seelmann, Theologie und Jurisprudenz, S. 8ff.

[7]    Wolfgang Schild, Folter, Pranger, Scheiterhaufen. Rechtsprechung im Mittelalter, München 2010, S. 12ff.

[8]    Ezechiel (Hesekiel) 18, 4. Vgl. Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 111.

[9]    Anselm von Canterbury, Cur deus homo – Warum Gott Mensch geworden, hg. von F. S. Schmitt, Stuttgart-Bad Cannstatt 1956, S. 126-127: II, 16: „Oportuit utique ut illa redemptio quam Christus fecit, prodesset non solum illis qui eo tempore fuerunt, sed etiam aliis. Sit enim rex aliquis, cui totus populus suae cuiusdam civitatis sic peccavit, excepto uno solo, qui tamen de illorum est genere, ut nullus eorum facere possit unde mortis damnationem evadat. Ille autem qui solus est innocens, tantam apud regem habet gratiam ut possit, et tantam dilectionem erga reos ut velit omnes qui suo credent consilio reconciliare quodam servitio valde ipsi regi placituro, quod facturus est die secundum voluntatem regis statuto. Et quoniam non omnes possunt qui reconciliandi sunt ad diem illam convenire, concedit rex propter magnitudinem illius servitii, ut quicumque vel ante vel post diem illam confessi fuerint se velle per illud opus quod ea die fiet, veniam impetrare et ad pactum ibi constitutum accedere, ab omni culpa sint absoluti praeterita; et si contigerit ut post hanc veniam iterum peccent, si digne satisfacere et corrigi deinceps voluerint, per eiusdem pacti efficaciam iterum veniam recipiant. Sic tamen ut nullus palatium eius ingrediatur, donec factum sit hoc unde culpae relaxantur. Secundum hanc similitudinem, quoniam non potuerunt omnes homines qui salvandi erant praesentes esse, quando redemptionem illam Christus fecit, tanta fuit vis in eius morte, ut etiam in absentes vel loco vel tempore eius protendatur effectus.“

[10]  Das römische Rechtsinstitut ist dargestellt u.a. in Digesten 49, 15 und Codex Iustinianus 8, 51. Hierzu Aldo Albertoni, Redemptus ab hostibus, Società Editrice Romana, Roma 1925; Hugo Krüger, Captivus redemptus, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Rom. Abt. 51 (1931), S. 203–222, 52 (1932) 351-352; Adalbert Erler, Der Loskauf Gefangener. Ein Rechtsproblem seit drei Jahrtausenden, Berlin 1978; Maria Virginia Sanna. Ricerche in tema di redemptio ab hostibus, Cagliari 1980; Dies., Nuove ricerche in tema di postliminium e redemptio ab hostibus. Cagliari 2001; Stefano Barbati, La redemptio ab hostibus e lo status del redemptus, in: Carlo Lorenzi/ Marialuisa Navarra (Ed.), Frontiere della romanità nel mondo tardo antico. Appartenenza, contiguità, alterità. Trasformazione e prassi, Napoli 2016, pp. 133- 254.

[11]  Vgl. Ambrosius von Mailand, Expositio Evangelio secundum Lucam, lib. 10, 66 (Sancti Ambrosii Opera omnia, tom. III, Paris 1836, p. 117): „Omnis deinde qui facit peccatum servus est peccati. Peccatis inquit vestris venditi estis. Venditio propter peccata nostra, propter bonitatem autem Dei redemtio peccatorum.“

[12]  Harold J. Berman, Law and Revolution (I), dt.: Recht und Revolution. Die Bildung der westlichen Rechtstradition, Frankfurt am Main 1995, S. 288ff.; Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 271ff. Zur Theologie der Höllenfahrt Markwart Herzog, „Descensus ad inferos“. Eine religionsphilosophische Untersuchung der Motive und Interpretationen mit besonderer Berücksichtigung der monographischen Literatur seit dem 16. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1997, S. 127ff.

[13]  Berman, Recht und Revolution (I), S. 284ff.

[14]  Vgl. hierzu Harald Maihold, „Himmel und Erde” – Die Abgrenzung von forum internum und forum externum in der frühen Neuzeit, in: Michael Germann/ Wim Decock (Hg.), Das Gewissen in den Rechtslehren der protestantischen und katholischen Reformationen, Leipzig 2017, S. 51-71.

[15]  Berman, Recht und Revolution (I), S. 282ff.

[16]  Daniela Müller, Schuld – Geständnis – Buße. Zur theologischen Wurzel von Grundbegriffen des mittelalterlichen Strafprozeßrechts, in: Hans Schlosser u.a. (Hg.), Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter, S. 403-420; Dies., Der Einfluß der Kirche, in: Klaus Lüderssen (Hg.), Die Durchsetzung des öffentlichen Strafanspruchs, S. 69-93, 72ff. Zu den zahlreichen Grautönen zwischen Buße und Strafe im 16. Jahrhundert Friederike Neumann, Öffentliche Sünder in der Kirche des späten Mittelalters. Verfahren – Sanktionen – Rituale, Köln u.a. 2008.

[17]  Berman, Recht und Revolution (I), S. 278ff.; Jacques Le Goff, Die Geburt des Fegefeuers, Stuttgart 1984.

[18]  Heinz Depsch, Gesalbter des Herrn – von Gott gekrönt. Zur Sakralität christlicher Herrscher, in: Heinrich Schmidinger (Hg.), Der Mensch – ein Abbild Gottes? Geschöpf – Krone der Schöpfung – Mitschöpfer, Darmstadt 2010, S. 189-218.

[19]  Näher dazu Maihold, „Welche Seele sündiget, die soll sterben.“, S. 157ff; Schild, Folter, Pranger, Scheiterhaufen, S. 16ff.

[20]  Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 131ff, 162, 218, 277, 338.

[21]  Allgemein zur Strafrechtslehre in der Spanischen Spätscholastik siehe Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 38ff; Schnyder, Tötung und Diebstahl, S. 18ff.

[22]  Thomas von Aquin, Summa theologica, Romae 1887-1894, 1 II, q. 87, a. 8 und 2 II, q. 108, a. 4. Vgl. Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 152ff.

[23]  Francisco de Vitoria, Comentarios a la Secunda secundae de Santo Tómas, Hg. von P. Vicente Beltrán de Heredía, O.P., Salamanca 1932-52, Com. ad Summa theologica 2 II, q. 108, a. 4 (tom. V, p. 235ss). Vgl. Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 174ff.

[24]  Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 181ff; Daniela Müller, Ketzerei und Ketzerbestrafung im Werk des Alfonso de Castro, in: Grunert/ Seelmann (Hg.), Die Ordnung der Praxis, S. 333-347.

[25]  Alfonso de Castro, De potestate legis poenalis, lib. 1, cap. 3, Salamanca 1550 (Nachdruck Madrid 1961), fol. 15r: „Poena est passio inferens nocumentum illam sustinenti, aut saltem apta ad inferendum, nisi aliunde impediatur, inflicta aut contracta propter proprium peccatum praeteritum“.

[26]  Die Definition des Strafgesetzes ist allerdings etwas weiter als die der Strafe: „Lex poenalis est lex, quae statuit poenam alicui infligi propter culpam commissam.“ Castro, De potestate legis poenalis, lib. 1, cap. 3 (fol. 19v). Das Strafgesetz erfordert zwar eine begangene Schuld, doch nicht notwendig eine eigene. Ein Strafgesetz ist also etwa auch das Gesetz, das die Häretikerkinder für die Verbrechen des Vaters bestraft. Es enthält eine „echte Strafe“ im Sinne Castros zwar nicht für die Kinder, wohl aber für den Vater.

[27]  Vitoria, Com. ad Summa teologica 1 II, q. 90, a. 4 und q. 96, a. 4 (tom. VI, p. 414ss, 430ss); Castro, De potestate legis poenalis, lib. 1, cap. 8 (fol. 62v); Domingo de Soto, De iustitia et iure, Lugduni 1582, lib. 1, q. 6, a. 5 (p. 19v). Vgl. Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 192ff.

[28]  Martín de Azpilcueta, Comm. De lege poenali fragmentum, in cap. Fraternitas 12. q. 2, num. 16ss, 23s (posthum erschienen, hier zit. nach der Ausgabe Opera, Coloniae Agrippinae 1616, tom. II, p. 237f, 238c-e); Soto, De iustitia et iure, lib. 1, q. 6, a. 5 (fol. 20r); genauer noch Pedro de Aragon, In secundam secundae Divi Thomae Doctoris Angelici Commentaria. De iustitia et iure, Lugduni 1597, Comm. ad Summa theologica 2 II, q. 62, a. 3 (p. 162s).

[29]  Castro, De potestate legis poenalis, lib. 1, cap 8 und 9 (fol. 64r, 67ss); Soto, De iustitia et iure, lib. 1, q. 6, a. 5 (fol. 20v); Aragon, Comm. ad Summa theologica 2 II, q. 62, a. 3 (p. 165).

[30]  Der Begriff der „leges pure poenales“ geht auf Heinrich von Gent (1219-1295) zurück, vgl. Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 196.

[31]  Castro, De potestate legis poenalis, lib. 1, cap. 3 (fol. 19v-20r), lib. 2, cap. 5 (fol. 131v-141v). Vgl. Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 192ff; Vincenzo Lavenia, L’infamia e il perdono. Tributi, pene e confessione nella teologia morale della prima età moderna, Bologna 2004, p. 183ss.

[32]  Michael G. Baylor, Action and Person. Conscience in Late Scolasticism and the Young Luther, Leiden 1977, p. 119ss. Vgl. zur Lutherinterpretation Annegret Freund, Gewissensverständnis in der Evangelischen Dogmatik und Ethik im 20. Jahrhundert, Berlin 1994.

[33]  Francisco de Vitoria, Relectio De temperantia, num. 7, in: Francisco de Vitoria, Vorlesungen II (Relectiones). Völkerrecht, Politik, Kirche, hg. von Ulrich Horst/ Heinz-Gerhard Justenhoven/ Joachim Stüben, Stuttgart u.a. 1997, S. 348; Aragon, Comm. ad Summa theologica 2 II, q. 62, a. 3 (p. 163ss); Jacopo Simancas, De catholicis institutionibus, Compluti 1569, tit. 9, num. 167s (fol. 33r).

[34]  Maihold, „das aus grosser barmhertzickeyt mus unbarmhertzig seyn“, S. 64ff.

[35]  Müller, Schuld – Geständnis – Buße, S. 403ff; Grunert, Theologien der Strafe, S. 321f.

[36]  Grunert, „Punienda ergo sunt maleficia“, S. 317ff; Schnyder, Tötung und Diebstahl, S. 114ff.

[37]  Thomas von Aquin, Summa theologica 2 II, q. 108, a. 4; Vgl. Grunert, Theologien der Strafe, S. 324; Ders., „Punienda ergo sunt maleficia“, S. 320; Schnyder, Tötung und Diebstahl, S. 110.

[38]  Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 152ff.

[39]  Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 181ff.

[40]  Schnyder, Tötung und Diebstahl, S. 96, 110f.

[41]  Soto, De iustitia et iure, lib. 1, q. 1, a. 1 (fol. 1). Vgl. Grunert, „Punienda ergo sunt maleficia“, S. 320; Schnyder, Tötung und Diebstahl, S. 108ff.

[42]  Vitoria, Com. ad Summa theologica 2 II, q. 108, a. 1, num. 3 (tom. V, p. 232). Vgl. Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 176ff.

[43]  Vgl. Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 188f.

[44]  Hermann Nehlsen, Entstehung des öffentlichen Strafrechts bei den germanischen Stämmen, in: Gerichtslauben-Vorträge. Freiburger Festkolloquium zum 75. Geburtstag von Hans Thieme, Sigmaringen 1983, S. 3-16, 13.

[45]  Günter Jerouschek, Geburt und Wiedergeburt des peinlichen Strafrechts im Mittelalter, in: Klaus Lüderssen (Hg.), Die Durchsetzung des öffentlichen Strafanspruchs, S. 41-52, 50f; Ders., Ne crimina remaneant impunita, ZRG Kan. Abt. 120 (2003), 323-337, 325ff.

[46]  Vitoria, Com. ad Summa theologica 2 II, q. 64, a. 3, num. 1 (tom. III, p. 283s). Vgl. Ders., Relectio De homicidio, in: Vorlesungen (Relectiones) I. Völkerrecht, Politik, Kirche, hg. von Ulrich Horst/ Heinz-Gerhard Justenhoven/ Joachim Stüben, Stuttgart u.a. 1995, S. 474, num. 19s.

[47]  So aber wohl Schnyder, Tötung und Diebstahl, S. 111ff. Vgl. Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 180; Grunert, Theologien der Strafe, S. 330f.

[48]  Schnyder, Tötung und Diebstahl, S. 111ff.

[49]  Schnyder, Tötung und Diebstahl, S. 121ff; Grunert, Theologien der Strafe, S. 331f; Ders., „Punienda ergo sunt maleficia“, S. 323ff.

[50]  Vgl. Frank Grunert, Theologien der Strafe, S. 319ff. – Zum Verhältnis von crimen und peccatum bei Tiberio Deciani und der tridentinischen Lehre vgl. Mathias Schmoeckel, Der Entwurf eines Strafrechts der Gegenreformation. Prova, pena e penitenza in un sistema posttridentino, in: Marco Cavina (Hg.), Tiberio Deciani (1509-1582). Alle origini del pensiero giuridico moderno, Udine 2004, S. 207-234.

[51]  Alfonso de Castro, De iusta haereticorum punitione, lib. 1, cap. 1, Antverpiae 1568, fol. 5r: „Haeresis est assertiva enunciatio sive propositio falsa fidei Catholicae ita repugnans, ut cum illa simul esse non possit.” – Vgl. Müller, Ketzerei, S. 337ff.

[52]  Castro, De iusta haereticorum punitione, lib. 1, cap. 1, fol. 8r, cap. 9, fol. 51

[53]  Castro, De iusta haereticorum punitione, lib. 2, cap. 3, fol. 136ss.

[54]  Castro, De iusta haereticorum punitione, lib. 2, cap. 3, fol. 139r/v.

[55]  Antonio Gómez, Commentariorum, variarumque resolutionum iuris civilis, communis et regii Tomi III, Francofurti ad Moenum 1572, tom. 1, cap. 1, num. 1-4 (p. 422).

[56]  Gómez, Commentariorum, variarumque resolutionum, tom. 1, cap. 1, num. 10 (p. 424).

[57]  Zum Ganzen Seelmann, Die gelehrte Strafrechtsliteratur, S. 309f; Grunert, Die Unterscheidung zwischen delictum publicum und delictum privatum, S. 425ff.

[58]  Seelmann, Die gelehrte Strafrechtsliteratur, S. 303ff; Ders., Die Relevanz der Theologie, S. 96f; Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 68ff, 75ff; Schnyder, Tötung und Diebstahl, S. 21ff.

[59]  Ezechiel (Hesekiel) 18, 4. Vgl. Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 111.

[60]  Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 112ff; zum Ganzen Maihold, Guilt“, in: Stanley N. Katz (Hg.), The Oxford International Encyclopedia of Legal History, Oxford u.a. 2009, p. 133-137.

[61]  Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 108ff.

[62]  Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 112ff, 340ff.

[63]  Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 295ff.

[64]  Vgl. Harald Maihold, Crimina excepta – ein „Feindstrafrecht“ in der frühen Neuzeit?, in: Kansai University Review of Law and Politics 33 (March 2012), S. 55-73; Ders., Die Bildnis- und Leichnamsstrafen im Kontext der Lehre von den crimina excepta, in: ZRG, Germ. Abt. 35 (2013), 101f.

[65]  Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 112, 266ff. Konfessionsvergleichend zur Erbsündenlehre vgl. Mathias Schmoeckel, Die Sünde des Naturrechts aus römisch-katholischer Sicht – Perspektiven einer protestantischen Rechtsquellenlehre, in: Christoph Strohm/ Heinrich de Wall (Hg.), Konfessionalität und Jurisprudenz in der frühen Neuzeit, Berlin 2009, S. 313-346, 327ff.

[66]  Maihold, Strafe für fremde Schuld?, S. 271ff; Berman, Recht und Revolution (I), S. 300ff, 320.

[67]  Schnyder, Tötung und Diebstahl, S. 43ff; Harald Maihold, „Got is selve recht“: Vom strafenden Gott zur göttlichen Strafe – Straftheologien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, 2 Teile, in: ius.full 2011, S. 98-110, 150-157, hier S. 108f.

[68]  Schnyder, Tötung und Diebstahl, S. 151ff.

[69]  Diego de Covarrubias y Leyva, Variarum ex iure pontificio regio, et cesareo Resolutionum (1552), in: Opera omnia, Coloniae Allobrogorum 1679, tom. 2, lib. 2, cap. 9, num. 2.

[70]  Castro, De iusta haereticorum punitione, lib. 2, cap. 1, fol. 124ss, cap. 2, fol. 130ss.

[71]  Schnyder, Tötung und Diebstahl, S. 130.

[72]  Schnyder, Tötung und Diebstahl, S. 64.

[73]  Schnyder, Tötung und Diebstahl, S. 154. – Zum Proportionalitätsgrundsatz vgl. auch Seelmann, Die gelehrte Strafrechtsliteratur, S. 308f; Ders., Die Relevanz der Theologie, S. 98f.

[74]  Zum Folgenden: Berman, Law and Revolution II, S. 62ff, 75ff, 131ff; Walther Köhler, Reformation und Ketzerprozess, Tübingen 1901; Hellmuth Mayer, Die Strafrechtstheorie bei Luther und Melanchthon, in: Rechtsidee und Staatsgedanke, Festgabe für Julius Binder, Berlin 1930, S. 77-105; Schmid, Einführung, § 149 (S. 162f); Mathias Schmoeckel, Metanoia. Die Reformation und der Strafzweck der Besserung, in: Reiner Schulze et al. (Hg.), Strafzweck und Strafform zwischen religiöser und weltlicher Wertevermittlung, Münster 2008, S. 29-58; Ders., Fragen zur Konfession des Rechts im 16. Jahrhundert am Beispiel des Strafrechts, in: Irene Dingel/ Wolf-Friedrich Schäufele (Hg.), Kommunikation und Transfer im Christentum der Frühen Neuzeit, Mainz 2008, S. 157-191.

[75]  Martin Luther, Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern (1525), in: Werke. Kritische Gesamtausgabe, Band 18, Weimar 1908, S. 360.

[76]  Hans-Lutz Poetsch, Gesetz und Evangelium, Kirche und Staat bei Luther, Groß Oesingen 1996.

[77]  Mayer, Die Strafrechtstheorie bei Luther und Melanchthon, S. 79.

[78]  Luther, Ein Sendbrief von dem harten Büchlein wider die Bauern, Werke, Band 18, S. 390, Z. 20, S. 391, Z. 30.

[79]  Vgl. z.B. Philipp Melanchthon, Loci theologici, ed. Johann Christian Wilhelm Augusti, Lipsiae 1821, p. 55f.

[80]  Melanchthon, Enarratio libri V. Ethicorum Aristotelis (1560), lib. 5, in: Melanchthon, Ethicae Doctrinae Elementa, et Enarratio libri quinti Ethicorum, Wittenberg 1583, p. 200f.

[81]  Vgl. Schmoeckel, Metanoia, S. 32ff.

[82]  Weiterführend Berman, Law and Revolution II, Kap. 10, insbes. S. 317ff; Bohatec, Calvin und das Recht, Graz 1934, S. 108ff; Schmoeckel, Metanoia, S. 36ff.

[83]  Die Konfession spielte in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. War schon die konfessionelle Einheit zerbrochen, so wollte man schließlich wenigstens an einem allgemein gültigen Rechtssystem festhalten. Anstatt auf Inhalte konzentrierte sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung daher auf die Methode. Vgl. hierzu Schmoeckel, Konfession des Rechts, S. 164; Ders., Die Sünde des Naturrechts, S. 313-346.

[84]  Schmoeckel, Konfession des Rechts, S. 184.

[85]  Schmoeckel, Metanoia, S. 56.

[86]  Vgl. Berman, Law and Revolution II, Kap. 4, insbes. S. 146ff.

[87]  Köhler, Reformation und Ketzerprozess, S. 7.

[88]  Dazu Köhler, Reformation und Ketzerprozess, S. 1ff, 15ff.

[89]  Schmid, Einführung, § 151-154; Rüping/ Jerouschek, Grundriss der Strafrechtsgeschichte, Rdnr. 114; vgl. auch Schmoeckel, Metanoia, S. 45ff; Ders., Konfession des Rechts, S. 175ff.

[90]  Vgl. Grunert, „Punienda ergo sunt maleficia.”, S. 317f.

[91]  Ausführlicher dazu Maihold, „das aus grosser barmhertzickeyt mus unbarmhertzig seyn“, S. 71ff.

[92]  Zur Verbandsstrafe Johannes Althusius, Dicaeologicae libri tres, Herbornae Nassoviorum 1617, lib. I, cap. 100, num. 19ff; lib. I, cap. 146, num. 1f, 35.

[93]  Ebenso Schnyder, Tötung und Diebstahl, S. 190.